Wer darf Wissenschaft betreiben und wer nicht?

An unserer Universität hatten wir einen interessanten Zwischenfall. Dieser hat gezeigt, wie man wissenschaftliche Aktivitäten zum Stillstand bringen könnte. Um wissenschaftliche Forschung auf einem vernünftigen Niveau durchführen zu können, braucht man fähige Wissenschaftler, Reisefreiheit, Labors, Computer und Literatur. Der Zugang zur Literatur ist wesentlich, dies betrifft insbesondere Artikel aus Fachzeitschriften. Relativ wenige Verlage veröffentlichen diese Zeitschriften. In der Chemie, beispielsweise, sind die wichtigen Verlage die folgenden: American Chemical Society (ACS), Royal Society of Chemistry, John Wiley und Elsevier. Diese Verlage stellen auf ihren Webseiten entsprechende Fachzeitschriften gegen Bezahlung zur Verfügung. Die Forschungsinstitute zahlen normalerweise für ihre Mitarbeiter erhebliche Abo-Gebühren, da es sonst unmöglich ist, sinnvolle Forschung ohne Zugriff auf solche Artikel durchzuführen.

Der Vorfall war der folgende: Vor einigen Jahren wurde ein zentraler Computer-Server unserer Universität gehackt, und jemand war in der Lage, eine beträchtliche Zahl von ACS Artikeln über diesen Server herunterzuladen. Die ACS hat schnell reagiert, und den Zugang zu ihrer Website für unsere gesamte Universität blockiert. Am Anfang war es einfach ärgerlich, aber mit der Zeit ist es klar geworden, dass es einfach unmöglich ist, ohne den Zugang zu dieser Website Forschung zu betreiben. Es dauerte fast einen Monat, bis die Situation geklärt worden ist, und der Zugang wieder normal eröffnet wurde.

Dieser Zwischenfall hat jedoch gezeigt, dass durch die Sperrung des Zugangs zu einigen Zeitschrift-Websites, die Forschung in einem bestimmten Bereich an einer Institution (oder in einem Land) lahmgelegt werden kann. Die Sperrung von einem oder zwei wichtigen Verlagen würde bereits ausreichen, um Forschungsaktivitäten auf ein fragwürdiges Niveau zu bringen. In einer friedlichen Welt, scheint dies ein Szenario, das nie passieren könnte, aber die Tatsache, dass diese Möglichkeiten vorhanden sind, und dass Konflikte sich jederzeit entwickeln können — dies könnte zu einer beunruhigenden Situation führen.

Wie könnte man diese Situation vermeiden? Eine mögliche Antwort ist die Open-Access-Initiative. Die kommerziellen Verlage beginnen nun auch dieses Modell zu unterstützen, wobei ein Autor Rechte kaufen kann, dass sein Artikel im Internet frei zugänglich ist. Solange die Artikel nur auf der Website der entsprechenden Verlage gespeichert sind, bleibt das oben genannte Problem bestehen. Allerdings erlauben viele Open-Access-Lizenzen, dass die Artikel auch anderweitig gespeichert und verfügbar gemacht werden können. Wenn diese Artikel auf Websites der Autoren und auf anderen Websites hinterlegt werden, wird das System dezentral, und somit viel weniger anfällig. Heutzutage ist es ja nicht mehr nötig einen Text durch einen Verlag zu publizieren, wie Sie sich selber gerade überzeugen, wenn Sie sich diesen Text hier lesen. Aber unsere wissenschaftliche Gemeinschaft ist wohl noch weit von einem solchen Publikationsmodell entfernt. Aber durch das Abspeichern des Materials auf verschiedenen Servern liesse sich das Problem umgehen. Ein dezentrales System ist kaum anfällig, und die oben beschriebene Situation kann nicht realisiert werden. Das gute alte Bibliothekssystem war auch dezentral, und obwohl es wesentlich langsamer war, war es kaum angreifbar.

Sämtliche Aufzeichnungen des Wissens in einem einzigen Ort aufzubewahren ist einfach keine gute Idee — dies hat das beklagenswerte Schicksal der Bibliothek von Alexandrien bereits illustriert.

Michal Borkovec, 10. Juli, 2014


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